Jahrhundert-Hochwasserschutz HQ100 - die Bezeichnung macht deutlich, dass es um eine Vorlage geht, die Riehen 100 Jahre lang Schutz bieten soll. Wer so weit planen will, verpflichtet sich jedoch auch zum Weitblick: statt einem kurzsichtigen Ansatz, der allein auf das Problem Hochwasser fokussiert, muss eine ganzheitlich orientierte Lösung erarbeitet werden, die nicht nur eine genügende Abschirmung für Mensch, Tier und Natur bietet, sondern auch den Veränderungen unseres Klimas Rechnung trägt. Denn Unwetter mit Starkregen, Hitzewellen und Trockenperioden etc. wechseln sich ab und dauern länger an, als noch vor einem Jahrzehnt.
Auf Bundesebene wurde diese Problematik bereits erkannt. Entsprechende Massnahmen werden erforscht und erprobt, passende Projektideen aus den Kantonen werden gefördert. Mit einem innovativen Ansatz hätte Riehen einmal mehr Gelegenheit, eine Vorreiterrolle einzunehmen und zu zeigen, dass nur eine ganzheitliche Denkweise zukunftsweisend sein kann. Ein entsprechendes Pilotprojekt könnte mithelfen, nicht nur Riehen vor Hochwasser zu schützen, sondern gleichzeitig die Schweiz in puncto nachhaltiger Lösungsansätze für die neuen klimatischen Gegebenheiten voranzubringen.
Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass entstehende Wassermassen nicht erst und ausschliesslich in Siedlungsnähe aufgefangen werden dürfen. Sie müssen bereits dort abgeschwächt werden, wo sie als Rinnsale am Hang ihren Anfang nehmen und auf dem Weg in die Rückhaltebecken Verwüstung anrichten. Dies verhindert nicht nur massive Schäden und ermöglicht, die geplanten Dämme viel niedriger zu bauen, vor allem kann dadurch auch das Regenwasser zum Nutzen aller eingesetzt werden, anstatt dass diese wertvolle Ressource ungenutzt in der Kanalisation verschwindet.
Nachfolgend zeigen wir einige Möglichkeiten, die dieser Denkweise, kombiniert angewendet, gerecht werden können.
Das Keyline-System ist eine Landschaftsgestaltungstechnik zur Verlangsamung von Niederschlagswasser und zur optimierten Nutzung der Wasserressourcen. Es kombiniert Anbauflächen mit Grünstreifen und unterstützt Hochwasserschutz und nachhaltige Landschaftsnutzung gleichermassen. Entlang den Ackergrenzen und Wassergräben gepflanzte Bäume, Hecken und Sträucher bremsen herabrinnendes Wasser nicht nur bereits oben am Hang ab, lassen es besser versickern und machen es für die Landwirtschaft nutzbar, sie fördern gleichzeitig die Biodiversität. (Stichwort "Bocage")
Am effizientesten ist die Keyline-Technik in Verbindung mit weiteren Massnahmen, die auf Versickerungszonen setzen, wie etwa das nachfolgend beschriebene Schwammland-System:
Die Schwammland-Technik ist ein Konzept der Stadt- und Landschaftsplanung, um möglichst viel Regen- und Oberflächenwasser vor Ort zu speichern, anstatt es zu kanalisieren. Das Wasser, welches am Hang nicht vom Erdboden aufgenommen oder in den Wassergräben aufgefangen werden konnte, gelangt durch Versickerungszonen in den Boden, wo es in Zisternen gesammelt wird. Dies bewirkt eine weitere Reduzierung der unerwünschten Wassermassen. Das aufgefangene Nass aus der Zisterne kann wiederum für die Landwirtschaft oder die umliegenden Freizeitgärten genutzt werden. Ein willkommener Nebeneffekt: da das Wasser - anders als im Fall der Rückhaltebecken - unterirdisch gespeichert wird, können sich Tigermücke & Co nicht ansiedeln.
Ergänzend wirkt der gezielte Einsatz von Pflanzenkohle, durch die man einen zusätzlichen Garant für Versickerung, vielfältige Bodenorganismen und Bodenfruchtbarkeit erhält. Sie mindert CO2 in der Atmosphäre, lockert die Bodenstruktur und nimmt Dank ihrer schwammartigen Struktur Nährstoffe und viel Wasser auf, kann beides lange speichern, sowie nach und nach an Boden und Pflanzen abgeben.
BDA Kaskade am Schlossbach, Rümligen BE . Bildnachweis: Emch + Berger.
Bäche lassen sich mit künstlichen Biberdämmen (Beaver Dam Analogs, BDAs (pdf-Link Emch + Berger)) kosteneffizient revitalisieren und gleichzeitig optimal an den Klimawandel anpassen. Wie ihr natürliches Vorbild verzögern künstliche Biberdämme den Wasserabfluss (dezentraler Wasserrückhalt), entschärfen dadurch Abflussspitzen, steigern die Versickerung (Grundwasseranreicherung) und machen die Gewässer widerstandsfähiger gegenüber den Klimaextremen Trockenheit und Starkniederschlag. Die beschriftete Fotoübersicht von Emch + Berger bietet eine gute Veranschaulichung, wie die Umsetzung der Methode aussehen kann: BDA - Klimaresilienz und Biodiversität für unsere Bäche
Nur wenn alle Voraussetzungen einbezogen und verschiedene Massnahmen kombiniert eingesetzt werden, kann ein zukunftsweisender Lösungsansatz entstehen. Passende Denkansätze wie das "Slow Water Projekt" werden im Moostal in Riehen ab 2024 bereits umgesetzt und müssten lediglich in den neuen Ansatz integriert werden. Damit jedoch ein solches Pilotprojekt ausgearbeitet werden kann, muss die Vorlage der Gemeinde neu gedacht werden.
Copyright © 2023 Hochwasserschutz Riehen Besser – Alle Rechte vorbehalten.